70 Jahre Grundgesetz – Ein Glücksfall für Deutschland! - Ministerpräsidentin a. D. Christine Lieberknecht sprach in Neustadt
Am 20. Mai setzte die Stadt Neustadt (Hessen) ihre zeitgeschichtliche Veranstaltungsreihe fort und erinnerte an die Verkündung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 in Bonn. Fast neunzig interessierte Besucherinnen und Besucher konnten hierzu im Historischen Rathaus begrüßt werden. An den Wänden waren Plakate aufgehängt, die sich mit den Grundrechten auseinandersetzten und von Schülerinnen und Schülern der Klasse 9b der Martin-von-Tours-Schule gestaltet worden waren.
Das Veranstaltungsformat feierte an diesem Tag Jubiläum, denn 2009 lud die Kommune erstmals dazu ein. Uta Thofern, Direktorin der Point-Alpha-Stiftung sprach seinerzeit zu „60 Jahre Grundgesetz“.
Der Ehrengast wurde zu Beginn vom Trio „Semplice“ mit dem „Rennsteig“-Lied begrüßt. Schließlich kommt Christine Lieberknecht aus der „grünen Mitte Deutschlands“ und gestaltete die Entwicklung Thüringens seit 1990 entscheidend mit. Vor der „Wende“ war sie Pastorin im Kirchenkreis Weimar und gehörte im September 1989 zu den Verfassern des „Briefes aus Weimar“, in welchem eine Lösung der CDU von der SED verlangt wurde. Lieberknecht war Kultusministerin, Ministerin für Bundes- und Europangelegenheiten, Präsidentin des Thüringer Landtages, Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion und des CDU-Landesverbandes Thüringen und Sozialministerin bevor sie von 2009-2014 als Ministerpräsidentin amtierte. Seit 1991 gehört sie dem Landtag an, den sie nach der Landtagswahl im Herbst dieses Jahres verlassen wird. Christine Lieberknecht ist vielfältig ehrenamtlich engagiert und u.a. Präsidentin des Landesverbandes Thüringen im Verband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine.
Bürgermeister Thomas Groll begrüßte nach einer Filmeinspielung, die an die Geschehnisse im Frühjahr 1949 erinnerte, die Anwesenden und hieß besonders den Landtagsabgeordneten Dirk Bamberger, Kreistagsvorsitzenden Detlef Ruffert, den Ersten Kreisbeigeordneten Marian Zachow und Staatsminister a.D. Dr. Christean Wagner willkommen. Groll freute sich darüber, dass auch diese Veranstaltung erneut nicht nur in Neustadt, sondern auch in umliegenden Städten und Gemeinden Beachtung fand und begrüßte stellvertretend den Ehrenbürger der Stadt Kirchhain Willibald Preis. Er bezeichnete diese Reihe als „lebendigen Geschichtsunterricht“.
Thomas Groll widmete Bert Dubois ein Wort des Gedenkens. Im letzten Jahrzehnt hatte der kürzlich Verstorbene zahlreiche Veranstaltungen durch kleine Ausstellungen bereichert.
Der Bürgermeister erinnerte in seiner Einleitung daran, dass das Grundgesetz seinerzeit bewusst nicht den Namen Verfassung erhalten habe. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass es – bis zu einer Wiedervereinigung Deutschlands – nur vorläufig gelten sollte. Daher heiße es in der damaligen Präambel auch „dem staatlichen Leben werde für eine Übergangszeit eine neue Ordnung gegeben“ bzw. „ Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hätten 1948/49 auch für jene gehandelt, denen mitzuwirken versagt war“.
Der 23. Mai 1949, so Thomas Groll, sei als Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland anzusehen. Umso mehr bedauerte er es, dass das Jubiläum „70 Jahre Grundgesetz“ nicht landesweit mit Veranstaltungen gewürdigt werde. „Gerade in unruhigen Zeiten ist es wichtig, sich auf die Werte des Grundgesetzes zu besinnen. Nehmen wir es nicht als selbstverständlich hin, sondern wertschätzen wir es“, so der Bürgermeister. Die Demokratie befinde sich nach den Worten von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gegenwärtig in einem Stresstest und es gebe viele Sorgen und Krisen, gleichwohl sehe er ebenso wie Schäuble keinen Grund für Pessimismus, betonte Thomas Groll. Nach Krisen sei man oftmals stärker als zuvor.
Ministerpräsidentin a.D. Christine Lieberknecht dankte Kommune und Bürgermeister zunächst für das gezeigte Engagement bei der Veranstaltungsreihe. Es sei bewundernswert, dass eine Kleinstadt so etwas auf die Beine stelle.
Die Festrednerin betonte, dass das Verfassungsjubiläum alle angehe. „Das Grundgesetz muss mit Leben erfüllt werden. Der erste Bundespräsident Theodor Heuss hatte recht, als er einmal sagte, dass Grundgesetz vertrage kein ohne mich“, betonte Lieberknecht. Die Weimarer Republik sei nicht an einer schlechten Verfassung gescheitert, sondern daran, dass viele Abseits standen und sich nicht für die Demokratie einsetzen, stellte die Politikerin heraus.
Insbesondere die Grundrechte hob Christine Lieberknecht als „Markenkern des Grundgesetzes“ hervor. Freiheit, Gleichheit oder soziale Marktwirtschaft seien zur Basis unseres Gemeinwesens geworden. Was sich zunächst in der „alten“ Bundesrepublik gewährt habe, gelte nun seit fast dreißig Jahren auch im wiedervereinigten Deutschland.
Eine grundlegende Reform des Grundgesetzes, so Lieberknecht, sei nicht nötig. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates hätten klug gehandelt. Die einzelnen Artikel müssten zeitgemäß interpretiert werden.
Es sei Aufgabe der Demokraten über alle Parteigrenzen hinweg, sich für die Werte des Grundgesetzes einzusetzen und Populisten keine Chance zu geben. Diese hätten zwar schnelle Losungen, aber keine Lösungen.
Für ihren engagierten Vortrag erhielt Christine Lieberknecht viel Applaus.
Mit der Nationalhymne und dem Eintrag in das Goldene Buch der Kommune endete das Gedenken an das Jubiläum des Grundgesetzes.
2019 soll es noch zwei weitere zeitgeschichtliche Veranstaltungen geben, dabei soll an den Beginn des II. Weltkrieges am 1. September 1939 und den Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 erinnert werden. Auch herzu werden mit Ministerpräsident a. D. Kurt Beck und Prof. Dr. Richard Schröder prominente Gäste erwartet.