Gedenkveranstaltung „200 Jahre Karl Marx“. Thüringens Ministerpräsident Ramelow sprach in Neustadt (Hessen)
Seit 2008 lädt die Stadt Neustadt (Hessen) mehrfach jährlich zu Gedenkveranstaltungen an besondere Ereignisse und Persönlichkeiten der deutschen Geschichte ein. Über dreißig herausragende Rednerinnen und Redner konnte Bürgermeister Thomas Groll hierzu bereits begrüßen, deren Ausführungen mehr als 3.000 Gäste hörten. Der Besucherkreis zu dieser regional einmaligen Veranstaltungsreihe erstreckt sich mittlerweile von Schwalmstadt bis nach Marburg.
Auf keinen der bisherigen Vorträge sei er so oft angesprochen worden, wie auf diesen, betonte Groll am 15. Mai 2018 im DGH Momberg vor über 130 Interessierten. Dies liege sicher sowohl am Thema als auch am Ehrengast. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sprach zu „200 Jahre Karl Marx“. „Musst Du als Schwarzer einen Linken einladen? Muss man Marx würdigen?“, sei er mehrfach gefragt worden so der Bürgermeister. Seine Antwort fand den Beifall der Anwesenden: „Nach Martin Luther ist Karl Marx weltweit der bekannteste Deutsche. Man muss ihn keinesfalls feiern, aber sollte sich sehr wohl mit seinen Ideen auseinandersetzen. Der 200. Geburtstag bietet sich dafür doch geradezu an. Bodo Ramelow ist ein anerkannter Ministerpräsident, ein Pragmatiker, jemand der etwas zu sagen hat. Der passt doch in unsere Referentenreihe.“ Und Thüringens Ministerpräsident enttäuschte die Gäste im Verlauf des Abends nicht. Über fünfzig Minuten sprach er frei. Auch wenn die meisten Besucher sicher nicht die LINKEN wählen, so teilten sie doch viele seiner Auffassungen. Ein Grundkonsens, so Thomas Groll am Ende der Veranstaltung, der unter Demokraten vorherrschen müsse.
Mit dem „Rennsteiglied“ begrüßte das Trio „Semplice“ den Gast, der sofort mitsang. Nachdem Bürgermeister Groll u.a. die Landtagsabgeordneten Handan Özgüven und Jan Schalauske begrüßt hatte, stellte er kurz den Ehrengast vor. Einst lernte dieser bei Karstadt in Gießen, arbeitete bei HaWeGe in Cappel und wurde hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär. Nach der „Wende“ ging er nach Thüringen und wurde Ende der 1990er Jahre Politiker. War Bundes- und Landtagsabgeordneter und wurde 2014 zum Ministerpräsidenten gewählt. Auch in das Thema „Karl Marx“ führte Thomas Groll ein. Er bezeichnete ihn als „vielfältigen Charakter und ersten ernstzunehmenden Sozialethiker“. Bei allem Für und Wider sei Marx einer der bedeutendsten deutschen Philosophen, dessen Gedanken immer noch aktuell sein.
Hieran knüpfte Bodo Ramelow in seiner Ansprache an. Er bezog sich immer wieder auf einzelne Thesen des Philosophen Karl Marx und stellte den Bezug zur Gegenwart her. Der Gast aus Thüringen, bekennender evangelischer Christ, verwies auch darauf, dass sich manche der Ideen des „roten Marx“ in Ansprachen von Papst Franziskus wiederfänden. Der Ministerpräsident räumte ein, dass im 20. Jahrhundert im „Namen des Marxismus“ viel Leid über Völker gebracht worden sei. Aber hierfür könnte man den gebürtigen Trier ebenso wenig verantwortlich machen wie Jesus für die in seinem Namen durchgeführten Kreuzzüge. Für ihn sei Karl Marx nach wie vor aktuell. Man dürfe ihn weder verteufeln, noch in den Himmel heben. Vielmehr solle man sich mit seiner Gedankenwelt befassen und dies auf eine Art und Weise, dass es nicht nur Theoretiker an Hochschulen verstünden. Ramelow fand es beispielgebend, dass sich eine kleine Kommune wie Neustadt mit Karl Marx, aber auch zuvor schon mit vielen anderen Persönlichkeiten und Ereignissen der Geschichte, auseinandersetze. Solcher lebendige Geschichtsunterricht sei wichtig.
Bodo Ramelow ist Politiker und Landesvater. Dies merkte man in seiner erfrischenden Rede immer wieder. So stellte er den Anwesenden Thüringen als modernes Bundesland vor, wo man moderne Betriebe, hervorragende Urlaubsregionen und Sportstätten habe. Auch verließ er des Öfteren das Thema, um sich mit aktuellen Dingen zu befassen. Dies bereicherte seine Ausführungen aber nur.
Mit Mozarts „Frühlingssonate“, ebenfalls vom Trio „Semplice“ dargeboten, endete eine besondere Veranstaltung. Keiner bereute sein Kommen und vielfach hieß es „Danke, dass es eine solche Veranstaltungsreihe in Neustadt gibt“.
Diese wird im Laufe des Jahres 2018 natürlich fortgeführt. U.a. kommt im November der ehemalige Vize-Kanzler und SPD-Vorsitzende Franz Müntefering und spricht zum Thema „100 Jahre Helmut Schmidt“.